Vincent van Gogh, Ein Leben In Leidenschaft (Film, Rezension)

Gesellschaftliches Drama – ein geniales Meisterwerk schauspielerischer Kunst
Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich dicht beieinander. Douglas beweist es als Schauspieler in diesem Film. Diese Rolle kann nicht besser, authentischer und verhältnismäßiger besetzt werden. Sein Verhalten ist so stimmig, dass man von absoluter Kongruenz sprechen kann. Ich kann diesen Film wirklich nur empfehlen. Es gibt heute kaum noch Schauspieler, die so meisterhaft Ihre Rolle insbesondere in sehr anspruchsvollen Dramen spielen.

Quinn hätte von mir den Oscar nicht erhalten, stattdessen Douglas gleich fünf. Quinns Leistung kam zwar wie bei all seinen Filmen authentisch und solide rüber, aber war nicht die große Leistung für einen Quinn, der ja auch nicht wirklich die Hauptrolle hatte, daher wirkt die damalige Oscarverleihung an Quinn wie ein ‚Reichscher Christusmord‘ an Kirk Douglas. Hier zeigen sich allenfalls die Lügenfassaden hinter den potemkinschen Dörfern Hollywoods.
Quinn spielt in seiner Rolle den eher gebremsten, emotional zurückhaltenden, gepanzerten Menschen, der auch durch die Unterdrückung seiner Emotionen zu latenter Gewalttätigkeit neigt und dessen Malerei sich nicht in der Lebendigkeit sondern im Ausdruck fast schon leicht autistischer Phantasie ausdrückt. Beide Künstlerrollen leben daher so auch von vorhandenen inneren Widersprüchen.
Douglas spielt in seiner Rolle den emotional offenen Menschen, der unverdorben wie ein Kind empfindet, offen und ehrlich ist und daher auch seinen Emotionen stark nachgibt. Hier gerät er mit Quinn immer wieder in einen Streit über Lüge und Wahrheit. Gaugin malt, das was er sehen will und Van Gogh will die lebendige Natur im Bild festhalten, das, was Wirklichkeit ist, was ihm auch gelingt. Er ist ein Mensch, der die Natur unmittelbar erleben will, was sich darin zeigt, dass er draußen bei Sturm malt, wo Gaugin lieber von seiner Phantasie inspiriert drinnen malt. Die beiden Maler stellen absolute Gegensätze dar.
Van Goghs Leid um fehlende Zuneigung, die jeder Mensch braucht, wenn er sie nicht leugnen würde, ist schmerzhaft mitzuerleben und war für mich gut nachvollziehbar, besonders auch seine Angst vor Einsamkeit. Seine Einsamkeit, insbesondere sein Mangel an einer liebevollen Partnerin, ist auch in den bereits damals gesellschaftlich fehl-geprägten und un-realistischen Ansprüchen vieler Frauen zu suchen! Dieser Makel trifft übrigens auch für die Männer zu! Der Faktor „Geld“ schiebt sich als Barriere zwischen die herzensgute Liebe eines Vincent van Gogh und der dargestellten Beziehung zu einer Frau, die mehr schon vordergründig sich und ihr Kind versorgt sehen will. Diese Barriere tötet letztlich die wahre Erwiderung von Van Goghs Liebe auf eine gemeinsame Liebe und tötet die Möglichkeit auf eine echte Nähe zwischen Mann und Frau. Historisch betrachtet hat sich dahingehend bis heute statistisch wohl eher wenig verändert. Dieses Detail zeigt einmal mehr in dramatischer Weise wie sehr unsere Gesellschaft seit Jahrtausenden von unserem pathologischen Zwangsverhalten, was uns durch Staat, Kirche und Weitergabe durch die Familie über Generationen leidet und immer wieder in einer vorzeitig todbringenden (siehe V.G. Suizid) Spirale enden muss, wenn man in einem vom Menschen selbstgeschaffenen lebensfeindlichen Umfeld lebt. Van Gogh sucht nach einem echten Freund, der auch Mann sein kann, mit dem er seine Sorgen und Nöte besprechen kann und mit dem er über die Gemeinsamkeit vielleicht zu einem besseren, ausgeglichenerem Leben gelangen kann. Gaugin ist da der Falsche, da er eine ganz andere, weniger lebendige, Haltung zum Leben hat und deshalb wohl van Goghs Emotionalität nicht so erfassen und auf sie eingehen kann, da er selbst seine tiefen Gefühle unter der Oberfläche hält, wie den Dampf eines Kochtopf durch festes Zudrücken des Deckels. Dieses Ansinnen ist Van Gogh völlig fremd und er betont immer wieder wie wichtig es ihm ist lebendig zu sein und sich so auch zu geben. Seine Lebendigkeit wird von der pathologischen Gesellschaft nicht reflektiert, sie wird absorbiert. Daher erhält er kein hilfreiches Feedback, bleibt unverstanden.

Kirk Dougals spielt van Goghs Leidenschaft wie der echte Van Gogh die Lebendigkeit der Natur in seinen Bildern festgehalten hat. Ein wahrer Künstler ist Genie und ein Genie ist immer im Einklang mit der Natur. Der Film vermittelt mir, dass Van Gogh wohl mit der Unpersönlichkeit der Gesellschaft, insbesondere in seinem Umfeld nicht klar gekommen zu sein schien. Sein Schaffensdrang nahm ihm die Zeit seinen Fokus auch auf eine ernsthafte Liebesbeziehung zu richten. So stirbt Van Gogh letztlich an gebrochenem Herzen in einem herzlosen und unsensiblen Umfeld, das nur auf sich selbst fixiert ist und Lebendigkeit gar nicht ertragen kann. Während seiner Schaffensphase lebt er seine Liebe in seiner sehr emotionalen Begeisterung für die Malerei in seiner Kreativität aus. Diese Problematik habe ich im Film mit Van Gogh stark mitfühlen können. Sehr kreative Menschen, deren Energien auf das Schaffen gerichtet sind, verlieren oft den Anschluss an das soziale Gefüge, was zu einer Deprivation und so zu einer Einengung des Blickwinkels führt und letztlich in Depressionen und ggf. sogar Suizid enden kann. Genie und Wahnsinn liegen eben dicht beieinander.

Mir fällt auf, dass der emotionale, soziale, psychoanalytische Hintergrund der Rolle Van Goghs, wie er von Douglas dargeboten wurde, bisher hier nicht erwähnt wurde, den ich aber unbedingt für erwähnenswert halte, denn jeder darf wissen, welch große Rührung, die dieser Film bei mir hinterlassen hat. Wer nicht hart und unbeweglich wie ein Stein ist, für den ist dieser Film eine gute Übung die eigene Gefühlsskala zu trainieren und so in Schwung zu halten.

Von der Figur van Goghs und von der Malerei abgesehen stellt dieses Drama, das Drama jeden Kindes dar, dass aus seiner Reinheit in die verdorbene und kranke Welt des Kapitalismus oder andere pathologische Gesellschaftsformen hinein geboren wird, die nicht auf Ganzheitlichkeit sondern auf Extreme und auf Polarisation und Suchtverhalten ausgerichtet sind. Der Schaden am Inidiviuum, an der Kreatur ist vorprogrammiert, es stellt sich lediglich die Frage, wie schwerwiegend er ausfällt.