Unkraut, die Chance uns selbst zu erkennen

Den Begriff „Unkraut“ dürften zumindest die „Gläubigen“ unter uns nicht in den Mund nehmen, denn damit würden Sie ja Gotteslästerung begehen, oder wie würde man es nennen, Gott in dieser schwarz-weiss-polarisierten Welt zu unterstellen, er hätte Fehler gemacht?

Kurzum: Wer einmal das, was so alles im Garten an zu unliebsamen Gästen erklärten Pflanzen wächst, mit der Liste von Heilpflanzen auf verschiedenen handgemischten Teesorten aus der Apotheke vergleicht, der müsste nach landläufiger Bewertung von Pflanzen ja zu dem Schluss kommen, der Apotheker würde einem für Unkraut viel Geld abnehmen und wäre damit folglich ein Betrüger.

Dieser Widerspruch ist schnell aufgelöst. Das was wir als Unkraut achtlos rupfen und vernichten sind meist wertvolle Heilpflanzen. Seifert erklärt in seinem Buch „Gärtnern, Ackern ohne Gift“, dass dies vermeintlichen Unkräuter gerade auf jenem Boden sehr massiv wachsen, der krank ist.
Dies ist ein natürliches biologisches Sonderprogramm. Der Boden soll durch diese Heilpflanzen ge-heilt werden.
Was macht der so vermeintlich moderne Mensch? Er rupft es aus, wirft es in die braune Tonne und lässt es alle paar Wochen von der städtischen Abfuhr abholen und ist froh, es los zu sein.

Damit bleibt er im Kreislauf kranken Bodens hängen, und rupft, rupft, rupft und entsorgt. Würde er das Kraut kompostieren und den Kompost nach einem Jahr dem Boden wieder zuführen, würde sich sein zweifelhaftes Schönheitsproblem weitgehend von selbst erledigen. Mit jedem Jahr würden weniger unerwünschte Heilpflanzen in seinem Vorzeigegarten wachsen, an den er dieselben Wertmaßstäbe von Unnatürlichkeit und vermeintlicher Makelosigkeit stellt wie heutzutage Fotomodelle in den Konsumbranchen.

Der einzige Fehler, den wir begehen ist, das wir uns für so wichtig erachten, das wir, ungeachtet der göttlichen Perfektion der Natur uns anmaßen, zu bestimmen, was makellos ist. Dieser pathologische Begriff von Makellosigkeit führt in pathologisches Erleben verschiedenster Form, ausgelaugte Böden, vergiftete Lebensmittel, Depressionen und körperliches Kranksein sind nur einige wenige Ableger unserer selbstproduzierten Überheblichkeit, weil wir nicht anerkennen wollen, was ist.

Wer sich so nimmt und akzeptiert, wie er ist, der kommt erst gar nicht auf die Idee des Groß-Reine-Machens. Leider ist uns dieses negative Bild über uns selbst in unserer Kindheit nur zu tief eingeimpft worden, weshalb die kranke Gesellschaft glaubt an allen möglichen Schrauben drehen zu müssen, um für all das, was ist, eine geschönte Fassade vorschieben zu müssen.

Wie arm sind wir nur! Wie reich wären wir, wenn wir uns so sehen und zeigen dürften, wie wir wirklich sind? Allem zweifelhaften Tun liegen Wertmaßstabe zugrunde, die wir als Erwachsene Menschen eigentlich nicht mehr bräuchten. Leider sind die meisten Menschen in dieser infantilen Gesellschaft in Entwicklungsprozessen zwischen dem 2 und 16. Lebensjahr hängen geblieben. Das ist auch der Grund wieso wir infantile Politiker infantile Fehler machen lassen, ohne zu revoltieren, denn wir haben nichts zu bieten. Eine wirkliche Meinungsbildung hat bei uns nie eingesetzt. Wir sind geprägt von einem falschen und fehlerhaften Selbstbild, das uns in die Kindchenrolle und die Politiker in die Elternrolle versetzt.

Alles was wir tun, und wenn es nur der Vernichtung von Unkraut gilt oder wir eine Spinnenphobie fröhnen, es sagt unmissverständlich etwas über uns aus, das, was wir erlebt haben und darüber, wo unsere Traumen sich befinden. Getreu dem gesunden Ackern mit Heilpflanzen sollen wir also das Unkraut, das in unserem Bewußtsein wuchert, nicht mehr beiseiteschieben und mit Missachtung strafen, sondern es als Chance begreifen heil zu werden.