Sachliche Kritik zur persönlichen Abgrenzung

Im Alltag erleben wir es hin und wieder. Jemand sagt oder schreibt etwas, womit er bei uns eine rote Linie überschreitet, weil seine Anmerkung einen persönlichen, ja intimen Bereich unseres Selbst berührt hat. Ein solches Verhalten ist nicht tolerierbar weil es unsere Würde antastet und deshalb demütigend ist. Witze kann man machen, aber wenn ich Witze mache und dabei die „Geistige Gesundheit“ eines anderen anzweifle, dann ist eine Grenze überschritten. Diejenigen, die die Grenzen anderer antasten, wissen sehr gut um die eigenen Grenzen und verteidigen sie mit Zähnen und Klauen; geht es hingegen um die Grenzen anderer, nehmen sie es damit nicht so genau. Im Gegenteil, sie sprechen anderen ab, was sie für sich rigoros beanspruchen.

Unter Erwachsenen sollte es obligatorisch sein, solche Themen auch erwachsen zu diskutieren, d. h. auf der Sachebene. Das Gegenteil nannte Sigmund Freud „Projektion und Abwehr“.

Wer glaubt, sich über mich belustigen oder aufgrund meiner Grenzsetzung empören zu können, mag sich vielleicht einmal fragen, wozu er es nötig hat, die Grenzen anderer nicht ernst nehmen oder er sich dem anderen gegenüber erhöhen zu müssen und was er gegenüber sich selbst damit vertuschen will.

Wenn es wirklich nachvollziehbare Gegenargumente gäbe, müsste man ja in der Lage sein, eine plausible Antwort zu geben, die auch der Praxis und nicht nur der Theorie standhält. In fast keinem Fall ist dies aber möglich, weil die Abwehr ja davon ablenken soll, dass der Betreffende vor sich und anderen verbergen möchte, dass er die Realität, was ihn und andere betrifft, leugnen will.

Wieso führt meine kritische Abgrenzung im Speziellen (und viele andere Fragen im Alltag, die den Charakter von Schwarz-Weiß-Denken demonstrieren) in Folge zu infantilem Verhalten wie Schmollen oder Beleidigtsein oder gar zu Aggressionen? Ist das wirklich nötig? Doch wohl nur für jene, denen die nötigen Sachargumente fehlen, und sie bloß ihren kindlichen Trotzkopf durchsetzen wollen, weil sie sich nicht weiterentwickeln und so bleiben möchten wie sie sind, ganz einfach weil sie glauben, zu schwach oder zu dumm zu sein, noch etwas dazuzulernen – oder, ganz sicher nicht selten, weil Menschen aus ihrer Angst heraus sich im Licht der Arroganz zeigen, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie diese MASKE bisher gut geschützt hat – ein „Leben“ hinter der FASSADE.

Genau diese Haltung findet man übrigens überdurchschnittlich oft bei Menschen, die sich politisch am rechten Rand bewegen; sie lieben einfaches Denken, weil sie zu bequem sind, sich selbst was wirklich Gutes zu tun, nämlich sich aus der intensiven Beschäftigung aus der Reihe verschiedenster Argumente, eine fundierte EIGENE Meinung zu bilden. Zugestanden, das ist mit einigem Energieaufwand mehr verbunden, als weiterhin faul auf seinen Hintern zu SITZEN. Kinder, die faul sind, weil sie es gewohnt sind, ihr Hirn selbst nicht benutzen zu müssen, weil es ihre Helikopter- oder Rasenmäher-Eltern ständig für sie getan haben und meist im ihrem Erwachsenenalter immer noch tun (erlernte Hilflosigkeit oder oft auch dissoziales Verhalten), sind im Bereich Empathie unterentwickelt. Ihnen fehlt es an emotionaler Intelligenz, weil sich bei Ihnen im Vergleich zu Gleichaltrigen Milliarden von Synapsen weniger gebildet haben, als bei denen, die von ihren Eltern ständig gefordert und gefordert wurden. Das sind wissenschaftlich belegte Fakten.

Und was den 2. Weltkrieg betrifft, der war nur möglich, weil die Missstände nicht durch Verantwortung gelöst wurden, sondern durch Verschiebung (Abwehr / Verdrängung) auf einen Sündenbock, den Juden 1933-1945, genau wie vor 2000 Jahren auf Jesus Christus. Es war historisch bis heute schon immer ein Akt niederer Qualität aus der Gruppe heraus auf einen Einzelnen einzuprügeln, ihn lächerlich zu machen und zu demütigen. Genau damit hat sich die Menschheit ihre Missstände erhalten und vor dem Hintergrund der fortlaufenden Zeitachse sich kontinuierlich zurückentwickelt. Der einfach Mensch guckt lieber weg und besinnt sich auf das vermeintlich tolle Gefühl in der Gruppe; ihm ist egal, ob es ein Trugbild ist, denn wir leben in einer Suchtgesellschaft in der Unehrlichkeit an der Tagesordnung ist.

Jegliches Abdriften ins Emotionale sind im Grunde nichts als Versuche, möglichst schnell vom eigentlichen Missstand abzulenken, um wieder zur Tagesordnung überzugehen uns sich der nackten Befriedigung seiner archaischen Bedürfnisse zuwenden zu können und bemerken dabei nicht, wie wenig sie sich so vom Verhalten wilder Tiere unterscheiden.

Stillhalten ist in DE weit verbreitet, siehe Polen, Ungarn, England, Frankreich, Afrika, Südamerika, etc. – dort reden die Menschen noch ernsthaft miteinander und gehen auf die Straße.

Hierzulande bekomme ich immer wieder den Eindruck, dass die in Deutschland konsumierte Muttermilch spezielle regionale Substanzen enthält, die genau das schon sehr lange verhindert haben, weswegen Unterhaltungen in unserem Land auch so selten von einem fruchtbaren Konsens geprägt sind. Es ist wohl weniger die Muttermilch als vielmehr das an uns weitergegebene Erbe der traumatisierten Kriegsgenerationen.

Echte Veränderungen von Missständen sind noch nie durch Schweigen gelöst worden, das müssen wir wohl zur Kenntnis nehmen. Wie wir für dumm verkauft werden, kann man jeden Abend in den Nachrichten sehen. Das färbt aber auch leider ab auf unser soziales Verhalten im Alltag.

Und nur weil man ein Witz ein Witz sein soll, muss man ihn nicht gut finden und kann den Witzemacher dafür kritisieren. In unserer Demokratie besitzt eben NIEMAND einen Immun-Status, auch wenn er sich das noch so wünscht uns versucht sich einzureden.

Menschen, die nicht DAZULERNEN bleiben früher, – aber ganz sicher spätestens SPÄTER auf der Strecke. Vielleicht ist es dann schon aber schon zu spät, sich am eigenen Schopf aus dem SUMPF zu ziehen.

Ich schließe mit einem ZITAT von Henryk M. Broder: «Wenn ihr euch fragt, wie es damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.»

Meine Buchempfehlung: „Angst“, von Holger-Bertrand Flöttmann